Zeit, Zeitbewusstsein und neurobiologische Prozesse (06/2007)

8. Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Philosophie „Gehirne und Personen“, 7. bis 9. Juni 2007 | Karl-Franzens-Universität Graz

Was sind Zeit und Zeitbewusstsein und wie hängen sie zusammen? Ist die Berücksichtigung neurobiologischer Prozesse für die Beantwortung dieser Frage relevant? Zweifellos ermöglichen neurowissenschaftliche Erkenntnisse einen Blick auf schon lange diskutierte Problemfelder der Philosophie zu werfen, in denen es noch immer offene Fragen gibt. Durch die Veränderung des Standpunkts hat man einerseits neue Erklärungsmodelle gefunden, doch bleiben andererseits alte Grenzen bestehen. Im Sinne einer neurophilosophischen Untersuchung an der Grenze zwischen Philosophie und Neurowissenschaft soll dieser Beitrag die Umstände beleuchten wie Zeit, Zeitbewusstsein und neurobiologische Prozesse miteinander verknüpft sind. Zeiterfahrung ist das für uns Primäre, deswegen ist sie der Ausgangspunkt folgender Überlegungen. Zeitbewusstsein kann gedacht werden als dasjenige, das die Zeiterfahrung ermöglicht. Zeiterfahrung unterscheidet sich von jeder anderen Art der Erfahrung in mehrfacher Weise, beispielsweise insofern als sie zu jeder anderen Erfahrung hinzukommt.

Für eine wissenschaftliche Untersuchung, die von der Zeiterfahrung ausgeht, steht der Weg in zwei verschiedene Richtungen offen, nämlich einerseits hin zur objektiven Zeit und andererseits hin zu den zugrunde liegenden neurobiologischen Prozessen. Es gibt Argumente, die belegen sollen, dass das Zeitbewusstsein unerklärlich bleibt, wenn man keine außen liegende Zeit annimmt und ebenso gibt es Ansätze das Zeitbewusstsein ausschließlich aufgrund der zugrunde liegenden biochemischen Prozesse zu erklären. Die Aufgabe ist die genannten Ansätze, die offenbar einseitig sind, im Rahmen einer Synthese zu verbinden. Ich werde also zuerst den Weg von der subjektiven Zeiterfahrung zu den zugrunde liegenden neurobiologischen Prozessen und danach den Weg von der Zeiterfahrung zur objektiven Zeit nachzeichnen. Für den ersten Teil spielt die Frage, wie aus 100 Milliarden Nervenzellen Zeitbewusstsein entsteht eine wichtige Rolle. Der zweite Teil beleuchtet die Möglichkeiten der Zeiterfahrung. Die beiden Wege sind einander ähnlich, sie haben das Zeitbewusstsein als gemeinsamen Bestandteil und sind meiner Meinung nach komplementär.

Ein wichtiger Punkt auf diesem Weg ist auch die Frage nach den Grenzen, sowohl von der Seite der Philosophie aus als auch von der Seite der Neurowissenschaft aus. Grenzen, die sich aus den, den jeweiligen Wissenschaften charakteristischen, Vorgehensweisen ergeben. Was will und kann die Neurologie erklären, was nicht? Was will und kann die Philosophie erklären, was nicht? Die Aufgabe der Philosophie ist es unter anderem die Zeit begrifflich zu fassen, ebenso wie alle anderen zentralen Begriffe. Die Philosophie beschäftigt sich mit der Notwendigkeit und Möglichkeit von Zeit. Die empirisch vorgehende Neurowissenschaft sucht nach den an der Entstehung von Zeitbewusstsein beteiligten Gehirnregionen und beschäftigt sich mit der Feststellung der physiologischen Wahrnehmungsgrenzen, also der Kontingenz von Zeitbewusstsein. Im Rahmen einer Vereinigung der scheinbar gegensätzlichen Ergebnisse, d.h. von empirischen Experimenten einerseits und Definitionen und Gedankenexperimenten andererseits, kann mehr erreicht und erklärt werden als als es jede Seite für sich könnte.

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„MEHRDEUTIG, adj. mehr als éine deutung zulassend: ein mehrdeutiger ausspruch. vergl. eindeutig. “ 

 

– Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Bd. 12, Sp. 1889 bis 1894.

 

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