Mehrdeutigkeitstests
Neben einer Definition der Mehrdeutigkeit ist auch ein Mehrdeutigkeitskriterium unbedingt erforderlich, da man nicht nur wissen möchte, was Mehrdeutigkeit im Allgemeinen ist, man möchte auch wissen, ob konkrete Ausdrücke, also etwa Wörter und Sätze (Items), mehrdeutig sind oder nicht. Die Intuitionen kompetenter Sprecher sind dabei zwar ein wichtiges Indiz, aber für sich allein genommen nicht aussagekräftig genug, um Mehrdeutigkeit definitiv von Vagheit, Unbestimmtheit und anderen ähnlichen Phänomenen zu unterscheiden. Unsere sprachlichen Intuitionen erweisen sich in vielen Fällen als zutreffend, doch aufgrund der großen Anzahl an nicht-paradigmatischen Fällen von Mehrdeutigkeit wäre es wünschenswert, wenn wir ein Kriterium zur Verfügung hätten, welches im besten Fall (a) universal einsetzbar, (b) konkludent und (c) formal ist, das heißt an dieser Stelle: ein Algorithmus, bei dessen Anwendung die sprachlichen Intuitionen des Testers wenig oder keine Rolle spielen. In der Literatur findet man auch eine ganze Reihe an Mehrdeutigkeitstests, angefangen bei allgemeinen Tests für Mehrdeutigkeit auf der Grundlage von syntaktischen, semantischen oder pragmatischen Eigenschaften von Wörtern und Sätzen bis hin zu speziellen Tests, etwa für bestimmte Beschreibungen. Was es bisher nicht gibt, ist ein universeller Mehrdeutigkeitstest, also ein Test, den man auf alle Arten der Mehrdeutigkeit anwenden könnte; mir ist weder ein Test für mehrdeutige Situationen noch für mehrdeutige literarische Werke bekannt. Die üblicherweise verwendeten Tests liefen kein zuverlässiges Ergebnis und was die Unabhängigkeit von Intuitionen betrifft, so gibt es zwar Tests, die dieses Desiderat erfüllen, wie der Übersetzungstest, jedoch sind gerade die am meisten verwendeten Mehrdeutigkeitstests nicht gänzlich intuitionsunabhängig.